Spandauer Weihnachtsopen

Die Weihnachtsfeiertage waren noch nicht ganz verdaut, da fuhren Dave und ich nach Spandau, um am zweiten »Internationalen Spandauer Weihnachtsopen« teilzunehmen. Vom SC Zitadelle Spandau in Kooperation mit dem SC Caissa Falkensee organisiert, fand es vom 27. bis 30.12.2016 im Rathaus Spandau statt. Dieses ist bequem mit S- und U-Bahn zu erreichen.

Nach der Anmeldung gingen wir noch eine kleine Runde spazieren und tauschten uns über unsere persönlichen Ziele für dieses Turnier aus. Die Begrüßung fand kurz vor zehn im Turniersaal statt.

Sie begann mit einer Schweigeminute in Gedenken an die Menschen, die am Breitscheidtplatz nun auch in unserem Land Opfer von Gewalt und Terror wurden. Ich denke, ein internationales Schachturnier, an dem Menschen aus sieben Nationen teilnehmen, ist auch ein gutes Zeichen gegen Hass und Menschenfeindlichkeit, für eine offene und friedliche Gesellschaft, die es zu erhalten gilt.

In der anschließenden Eröffnungsrede wurde darauf hingewiesen, dass sich unter den 94 Teilnehmenden keine einzige Frau befände. Dass das Thema Sexismus im Schach nicht neu ist, macht es nicht besser, sondern im Gegenteil nur peinlicher. Ich denke, hier muss sich gerade in unserem Sport noch einiges ändern!

Nach den eröffnenden Worten begann das große Gewusel im Turniersaal und jeder suchte sich seinen Platz.

Durch den Wertungszahlirrsinn war ich mit meiner alten Elo noch vor Dave gesetzt. Und so kam es, dass Caissa oder wer auch immer mich in der ersten Runde an Brett eins loste. Dort hieß mein Gegner Jakob Meister und trug den Titel Großmeister. Da es pro Zug 30 Sekunden Aufschlag gab, stand mein Ziel fest: Mein Gegner sollte nach der Partie nicht mehr Zeit haben als vor der Partie! Zeigte die Uhr vor dem ersten Zug noch 1:30h, so waren es nach 24 Zügen und bei gleichem Material bei ihm etwa 1:20h. Damit war ich zufrieden und gab auf. Ich verschweige an dieser Stelle, dass ich zwei Züge später im günstigsten Fall meine Dame verloren hätte. Trotzdem war ich hochmotiviert für die kommenden Spiele und freute mich, einmal im Leben gegen einen GM gespielt haben zu dürfen.

Dave loste das Glück an Brett acht, an dem sein Gegner Reinhard Giese (2147) mit den schwarzen Figuren auf ihn wartete. Beide hatten in Falkensee schon gegeneinander gespielt und sich damals auf ein Remis geeinigt. Auch dieses mal war es eine spannende, kräftezehrende Partie mit beiderseitigen Chancen. Je weiter die Partie voranschritt, desto mehr sah es so aus, als würde Reinhard Giese mit seinen schwarzen Steinen den vollen Punkt holen. Doch selbst zwei Freibauern auf der zweiten Reihe genügten nicht, um Dave aus der Ruhe zu bringen. So stand Weiß letztendlich auf Gewinn. Doch leider fehlten Dave nach fast fünf Stunden Spielzeit die Konzentration und der absolute Gewinnwille. Also einigten sich die beiden Schachfreunde wieder einmal auf eine Punkteteilung.

In der ersten Runde gab es dann noch eine Überraschung an Brett 4. Hier gewann der 2006 geborene Minh Tham (1774) gegen FM Jürgen Brustkern (2246), mit dem ich auch noch die Klingen kreuzen sollte.

Runde zwei begann um 16:00 Uhr. Dave, der nach einer Stunde Pause inklusive Analyse noch sehr erschöpft war, verlor recht schnell gegen Erwin Weber. Die Stellung war ausgeglichen, doch Dave ließ einen Angriff seines Gegners zu, der diesem schließlich den Sieg brachte.

Mit Niclas Sperling wartete auf mich ein recht junger Spieler. Für einen Angriff opferte ich eine Figur für zwei Bauern, aber Niclas Sperling verteidigte gut. Sein Rückopfer führte allerdings zum Partieverlust für ihn und zum ersten Punkt für mich.

Auch am zweiten Spieltag musste ich mich in der ersten Partie mit einem Meister messen. Ich führte die weißen Steine gegen den oben genannten FM Jürgen Brustkern. Im 12. Zug unterlief ihm ein schwerer Fehler, an dessen Ende ein Damengewinn für mich stand – beziehungsweise gestanden hätte. Ich verkannte meine Chance, gewann aber dennoch eine Qualität und hatte die aktivere Stellung. Ob nun mein Gegner oder ich selbst mich bezwang, kann ich nicht genau sagen, vermutlich wir beide. Nach und nach verlor ich sowohl meinen materiellen als auch meinen positionellen Vorteil und damit auch die Partie.

Für Dave lief die dritte Runde besser. Gegen den redseligen Schachfreund Florian Hennig gewann er mit schwarz seine erste Partie in diesem Turnier. Dieser Sieg brachte ihn weiter nach vorn, wo am Brett 23 mit Andreas Kötz ein weiterer starker Gegner auf ihn wartete. Leider verspielte Dave bereits die Eröffnung und konnte sich in der Folge auch nicht mehr aufbäumen.

Für mich sah es gegen Manuel Seitz lange Zeit sehr gut aus. Mit etwas Glück gewann ich das Läuferpaar für einen Turm. Meine eigenen Spitzhüte entwickelten sich daraufhin zu einer mächtigen Waffe, gegen die er sich mit einem Bauernvormarsch Raum zu verschaffen suchte. Diesen Aufmarsch konnte ich zerschlagen und öffnete dabei noch seine Königsstellung – allerdings auch meine. Gepaart mit großer Unkonzentriertheit kostete es mich im 34. Zug meine Dame, die ich einzügig fesseln ließ. Am Abend dieses Tages befiel mich das unschöne Gefühl, selbstverschuldet zwei Punkte liegen gelassen zu haben. Positiv gesehen hatte ich es an diesem Tag immerhin zweimal geschafft, Gewinnstellungen zu erzielen. Nun muss ich noch lernen, diese konsequent auszunutzen.

Am dritten der vier Spieltage tauschten Dave und ich die Gegner. Er spielte gegen Niclas Sperling, gegen den ich in der zweiten Runde gekämpft hatte, und ich traf auf Florian Hennig. Ich gewann nach ungefähr einer Stunde. Der elfjährige Florian erzählte mir nach der Partie, dass er zu viel Blitzschach spiele und es ihm deshalb schwer falle, ausdauernd und tief zu rechnen. Er verriet mir noch seine schachlichen Ziele und ich bin mir sicher und wünsche es ihm, dass er sie erreichen wird.

Da ich noch so viel Zeit bis zur nächsten Partie hatte, entschied ich mich, nach Hause zu fahren. Erst als ich kurz vor vier den Turniersaal betrat und die neue Auslosung studierte erfuhr ich, dass Dave seine Partie gegen Niclas Sperling verloren hatte. Dave hatte etwas ungeduldig gespielt, was Niclas geschickt auszunutzen wusste.

In der vorletzten Runde des Turniers musste Dave gegen Baatarjav Sundui ran. Baatarjav, Jahrgang 1977, der erst durch dieses Turnier und den Beitritt zum SC Zitadelle Spandau eine Wertungszahl erhielt, spielte stark auf, war in letzter Konsequenz aber etwas zu passiv. Letztendlich gewann Dave die Oberhand und konnte das Spiel für sich entscheiden.

Mein Gegner in dieser Runde hieß Robert Schuh. Der junge Schachfreund führte die weißen Figuren mit Bedacht. Im 15. Zug fand er jedoch nicht die richtige Erwiderung und verlor daraufhin einen Bauern. Mit Mehrbauer und besserer Bauernstruktur sicherte ich mir an diesem Tag den zweiten Punkt.

Am letzten Spieltag, einem herrlich sonnigen Freitag, fand die siebente und letzte Runde statt. Dave und ich hatten vor dem Turnier unsere Ziele festgelegt. Ich wollte drei Punkte erreichen, die ich zu diesem Zeitpunkt bereits hatte und Dave dreieinhalb, wozu ihm noch ein Punkt fehlte. Allerdings hatte er das Turnier nach der Niederlage gegen Niclas Sperling schon abgehakt.

Ohne den selbstauferlegten Druck ging er befreit in das letzte Spiel gegen Edgar Leyrer. Und es kam zu einer spannenden Partie, die von Kampf geprägt war und in der beide Seiten lange Zeit um Vorteil rangen. Erst im Endspiel konnte Dave mit den weißen Steinen seinen Gegner dann in Bedrängnis bringen und schließlich besiegen. So endete das Turnier für ihn noch versöhnlich.

Mein Gegner in der letzten Partie war der aus Irland stammende und in Hamburg spielende Michael Welsh. In der Eröffnung gab ich einen Bauern, schwächte dafür aber seine Bauernstruktur. Es sah lange Zeit nach Remis aus, aber mein Gegner fand immer wieder Gewinnideen, was mich sehr beeindruckte. Im 32. Zug legte ich schließlich meinen König in die Horizontale und gab erschöpft aber zufrieden auf.

Auf dem Heimweg resümierten Dave und ich das Turnier und kamen zum Schluss, dass es hervorragend organisiert war und großen Spaß gemacht hat daran teilzunehmen. Auch toll war, dass ab der zweiten Runde die Partien der ersten sechs Bretter live an eine Leinwand projiziert wurden, was bei einem so stark besetzten Feld Sinn ergibt. Erwähnenswert ist natürlich auch das Ambiente. Im Bürgersaal des Rathauses Spandau mit seinen Kronleuchtern und dem Stuck fühlt man sich auch am letzten Brett nicht abgestellt. Da wie so häufig bei Turnieren die Luft etwas dick wurde, musste immer wieder gelüftet werden. Der guten Lage geschuldet wurde es dann leider etwas laut.

Ich für meinen Teil kann jedem Schachfreund und jeder Schachfreundin dieses Turnier im wunderschönen Spandau nur ans Herz legen wenn es einen zwischen den Jahren ans Brett zieht.

Zuletzt geändert: 2017/12/27 17:53